Fahrwerk
Tieferlegungs- und PU-Ratgeber für W201/W124
Wer seinen W201 oder W124 tieferlegen möchte, steht schnell vor der Frage: Welche Dämpfer passen am besten zu den gewählten Federn? Nicht jede Kombination harmoniert – falsche Dämpfer können den Komfort massiv verschlechtern oder sogar frühzeitig verschleißen. Hier findest du unseren praxisnahen Überblick zu gängigen Setups und deren Eigenschaften. Dabei gilt: Wir haben über die Jahre etliche tausend Euro in verschiedene Dämpfer-/Tieferlegungs-Kombinationen investiert und getestet. Die hier genannten Empfehlungen basieren also auf echten Erfahrungen und nicht nur auf Theorie.
Unsere Empfehlung zu Fahrwerken
Serien- oder Sportline-Fahrwerke sind ab Werk auf Komfort ausgelegt, kommen bei deutlicher Tieferlegung aber schnell an ihre Grenzen. Abhängig von Tieferlegungsmaß, Felgen-/Reifenkombination und Fahrprofil unterscheiden sich die passenden Dämpfer erheblich.
Wichtig: Nicht nur die Dämpferkörperlänge, auch die Kolbenstange entscheidet über Einfederweg und Haltbarkeit.
Sehr wichtig: Vor einer Tieferlegung sollten unbedingt die
Traggelenke an der Vorderachse erneuert werden!
Das komplette Gewicht des Vorderrads hängt am Traggelenk im Dreieckslenker.
Wird es schwergängig oder schlägt aus, kann das Rad im schlimmsten Fall abreißen.
Produktlink
Empfohlene Dämpfer je Tieferlegung
-
Serie / Sportline (15/15) – Koni Orange (z. B. H&R Cup-Kit):
Angenehm sportlich und langlebig, solange die Tieferlegung nicht über 30/30 hinausgeht.
Achtung: Bei stärkerer Tieferlegung stößt die lange Kolbenstange unten im Dämpfer an → Gefahr von Schäden.
Koni Dämpfer (Orange)
(Bild © RPM-Depot)Koni Dämpfer (Orange): Produktlink
-
30/30 – TA Technix Gelb:
Kürzere Kolbenstange als Koni Orange, dadurch unproblematisch bei leichter Tieferlegung.
Vom Dämpferkörper her identisch lang – solide Wahl für 30/30.
40/40 – 45/45 – TA Technix Gelb: Begrenzen den Einfederweg relativ früh, was ein straffes, teilweise hartes Fahrverhalten erzeugt. Vorteil: Hohe Kompatibilität zu größeren Rad-/Reifenkombinationen.
TA-Technix Dämpfer (Gelb)
TA-Technix Dämpfer (Gelb): Produktlink
-
40/40 – 60/60 – MTS Gelb:
Kürzerer Dämpferkörper und Kolbenstange, dadurch deutlich mehr Einfederkomfort.
Empfehlenswert für Tieferlegungen bis ca. 65/65, solange Reifen und Felgen nicht limitieren.
Preislich günstiger als TA Weiß.
Gekürzte MTS Dämpfer (Gelb)
(Bild © Huber´s Garage)Gekürzte MTS Dämpfer (Geln): Produktlink
-
Über 60/60 – TA Technix Weiß:
Die kürzesten erhältlichen Dämpfer für W201/W124.
Notwendig bei extremen Setups wie 80/80, da sie Bestandteil der Einzelabnahme sind.
Preis mittelhoch, technisch nur minimal kürzer als gelbe MTS.
Gekürzte TA-Technix Dämpfer (Weiß)
(Bild © Huber´s Garage)Gekürzte TA-Technix Dämpfer (Weiß): Produktlink
KW V3 – High-End, aber nicht fürs Extreme
Das KW Variante 3 (V3) Gewindefahrwerk für den Mercedes 190E (W201) ist mit Inox-Technologie, einstellbarer Druck- & Zugstufe eine echte Premium-Lösung. Wer aber „richtig tief“ möchte, wird enttäuscht: Die optimale Tieferlegung liegt bei etwa 30–40 mm, um das Maximum an Fahrdynamik und Komfort aus dem Fahrwerk herauszuholen. Für extreme Tieferlegungen ist das KW V3 nicht gedacht.
KW V3 Fahrwerk
(Bild © RPM-Depot)
KW V3 Fahrwerk: Produktlink
Worauf besonders achten?
Je tiefer das Fahrzeug, desto wichtiger wird die Abstimmung zwischen Feder und Dämpfer. Zu lange Dämpfer → Anschlaggefahr und Defekte. Zu kurze Dämpfer → unnötig harter Fahrkomfort. Wer hohe Rad-/Reifenkombinationen fährt, profitiert von härteren Dämpfern, da Schleifen reduziert wird. Wer mehr Komfort möchte, wählt gekürzte Dämpferkörper (MTS/TA Weiß).
Felgen- & Reifenkombinationen
Die Wahl der Felgen und Reifen in Verbindung mit Einpresstiefe (ET) hat großen Einfluss auf die Machbarkeit von Tieferlegungen. Hier einige grobe Erfahrungswerte:
- bis ca. 45/45: 205/50/16 oder 215/45/17 auf 7–8x16/17 mit ET 30–40 → in der Regel machbar
- 60/60: 195/45/16 bei ET 20–30 → passend, aber knapp
- 80/80: praktisch nur mit 165/45/15 bei ET 10–20 fahrbar
Diese Angaben sind nur Schätzungen und können durch Karosserietoleranzen, individuelle Unterschiede oder vergangene Unfallschäden abweichen. Sie sind nicht verbindlich!
PU-Lager – zwei Ausbaustufen
PU-Lager (z. B. von Strongflex) machen die Achsführung präziser und langlebiger, können aber auch den Komfort reduzieren. Wir unterscheiden daher zwei Ausbaustufen:
-
1. Das Wichtigste:
Hinterachsstreben weiterhin mit Gummilagern (z. B. Lemförder).
Empfehlung PU für:- Federschwinge hinten (differenzialseitig)
- alle 4 Achsträgerlager Hinterachse
- vordere Dreieckslenker (innere Lager)
PU-Lager Vorne: Produktlink
Satz Hinterachsstreben: Produktlink
PU-Lager Achsträger: Produktlink
PU-Lager Federschwinge Hinterachse: Produktlink
PU-Lager Dreieckslenker Vorderachse: Produktlink
-
2. All Out:
Komplett auf PU umrüsten – sorgt für maximale Präzision, allerdings spürbar straffer und härter im Alltag.
Komplettset PU-Lager: Produktlink
Domlager vorne (Federbeinlager)
Nach Jahrzehnten werden die vorderen Domlager spröde oder reißen ein. Besonders bei Tieferlegung stehen sie unter erhöhter Last – im Extremfall kann der Dämpfer bis durch die Motorhaube schlagen.
- Grundregel: Wenn die Domlager noch nicht getauscht wurden → unbedingt erneuern! Egal ob Umbau, Poltern oder schon kleine Risse sichtbar sind.
-
Für sportlichere Setups:
Meyle HD Domlager mit verstärktem Gummi verwenden.
Meyle HD Domlager (Teilenr:Meyle 014 032 0001/HD): -
Alternative Tuning-Optionen:
Verstellbare Sturzdomlager (z. B. TA Technix oder Silver Project) – ermöglichen eine exakte Radsturz-Einstellung,
sinnvoll für Trackdays oder sehr tiefe Setups.
TA Technix: Produktlink
Silver Project: Produktlink
Sturzstreben Hinterachse
Bei tiefergelegten W201/W124-Modellen kann es an der Hinterachse schnell zu negativem Sturz kommen. Das führt nicht nur zu schräg abgenutzten Reifen, sondern kann auch Probleme bei engen Platzverhältnissen im Radhaus verursachen.
Abhilfe schaffen verstellbare Sturzstreben, z. B. von TA-Technix oder Silver Project. Damit lässt sich der Sturz an der Hinterachse individuell einstellen und an die gewünschte Tieferlegung anpassen.
Empfehlung: Besonders sinnvoll, wenn hinten der Platz knapp wird (z. B. bei breiten Felgen/Reifen oder extremen Tieferlegungen). So bleibt das Fahrzeug alltagstauglich, die Reifenlebensdauer steigt und die Fahrstabilität verbessert sich.
TA-Technix verstellbare Domlager: Produktlink Silver Project verstellbare Domlager: Produktlink
Federgummis (Federauflagen)
Mercedes bietet für Vorder- und Hinterachse verschiedene Federauflagen („Federgummis“) mit 1 bis 4 Punkten, die jeweils eine unterschiedliche Stärke haben:
| Vorderachse 1 Punkt | 8 mm |
| Vorderachse 2 Punkte | 13 mm |
| Vorderachse 3 Punkte | 18 mm |
| Vorderachse 4 Punkte | 23 mm |
| Hinterachse 1 Punkt | 8 mm |
| Hinterachse 2 Punkte | 13 mm |
| Hinterachse 3 Punkte | 18 mm |
Damit lassen sich kleinere Höhenunterschiede und Setups anpassen.
Hinweis:
- Ein „0er Gummi“ kann erstellt werden, indem man von einem 1-Punkt-Gummi Material abträgt.
- Bis zu „6er Gummis“ sind machbar, indem man z. B. einen 4-Punkt-Gummi und einen abgeflexten 2-Punkt übereinanderlegt.
Federgummis (Federauflagen) W201/W124: Produktlink
Stabilisatoren
Für eine bessere Straßenlage und reduziertes Wanken lohnt sich der Umbau auf stärkere H&R Stabilisatoren. Diese sind als Komplettsets erhältlich und unterscheiden sich je nach Motorisierung:
H&R Stabilisator Set Mercedes Benz 190E W201 6-Zylinder: Produktlink
H&R Stabilisator Set Mercedes Benz 190E W201 4-Zylinder: Produktlink
Außerdem lassen sich auch die Stabis vom W124 300E vorne verbauen – lediglich die Enden müssen dafür etwas abgeflext werden.
Interessant: Selbst die 16V-Modelle haben hinten keine deutlich dickeren Stabilisatoren, sodass das Upgrade an der Vorderachse den größeren Effekt bringt.
Fazit
Das richtige Fahrwerk für W201/W124 hängt stark von Tieferlegung, Rad-/Reifengröße und persönlichem Anspruch ab. Bis 30/30 reicht oft ein Koni Orange oder TA Gelb, ab 40/40 sind gekürzte Varianten (MTS oder TA Weiß) klar im Vorteil. Wer ein High-End-Fahrwerk möchte, ist mit dem KW V3 bestens beraten – jedoch nicht für extreme Tiefe, sondern für sportliche 30–40 mm Setups. PU-Lager bieten zwei sinnvolle Wege: minimal nötig für Haltbarkeit & Präzision, oder „All Out“ für kompromisslose Performance. Für die Front gilt: verstärkte oder verstellbare Domlager nicht vergessen – sie sind sicherheitsrelevant und verbessern Fahrstabilität. Auch nicht vergessen: die passende Felgen-/Reifenkombi entscheidet oft mehr über Machbarkeit als die reine Tieferlegung. Wer dauerhaft Freude an seinem Klassiker haben möchte, sollte nicht nur nach Optik entscheiden, sondern gezielt auf eine passende Kombination aus Federn, Dämpfern, Lagern, Domlagern und Rädern setzen.
Wichtiger Hinweis: Nach jedem Fahrwerksumbau sollte eine Achsvermessung durchgeführt werden. Nur so lassen sich Spur, Sturz und Nachlauf korrekt einstellen. Das verbessert nicht nur die Fahrstabilität, sondern verlängert auch die Lebensdauer von Reifen und Fahrwerksteilen. Vorne lässt sich über die Exzenter an den Dreieckslenkern erstaunlich viel einstellen, sodass auch sportlichere oder tiefere Setups schleiffrei fahrbar bleiben.